Kein Brot in Brothausen?

Genau heute vor einem Monat war Heiligabend. Der Ort Bethlehem stand da im Mittelpunkt. Auch im Horber Heiligabend-Gottesdienst – als Live-Stream gesendet – stand Bethlehem im Mittelpunkt, mit dem Stall, in dem die Krippe stand, mit Maria und Josef und auch dem Esel und dem Ochsen. Die Hirten kamen von draußen auf den Feldern Bethlehems zum Kind in der Krippe. Das ist Weihnachten. Doch bald darauf mussten Josef und Maria mit dem Kind fliehen. In Ägypten fanden sie Asyl. Sie flohen vor den Schergen des Herodes, der nach dem Leben des Kindes getrachtet hat. Mit der Geburt in Bethlehem begann also auch eine Fluchtgeschichte.

Der Ortsname Bethlehem bedeutet „Haus des Brotes“. „Brothausen“ würde es bei uns heißen. Bethlehem sollte also eigentlich ein Ort sein, an dem alle ihr Brot haben, an dem alle das haben, was sie zum Leben brauchen. Das ist mehr als Essen. Dazu gehört auch Sicherheit, die Sicherheit, nicht fliehen zu müssen. Martin Luther hat vor fünfhundert Jahren erklärt, was so lebenswichtig ist wie Brot: Brot ist „alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherrn, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.“ Martin Luther hat nichts ausgelassen von all dem, was für ein gutes Leben gebraucht wird. Brot steht letztlich für alles, was für ein gutes und menschliches Leben notwendig ist.

In Bethlehem, in „Brothausen“, waren schon nicht nur Kinder gefährdet, in „Brothausen“ wurde auch schon gehungert. Davon wird in dem Bibelabschnitt erzählt, über den heute, genau einen Monat nach dem Heiligabend, in den evangelischen Kirchen gepredigt wird (Rut 1,1-19a). Dieser Predigttext ist der Beginn des kleinen biblischen Büchleins Rut, das ein paar Jahrhunderte vor Jesus geschrieben wurde. Erzählt wird auch hier eine Fluchtgeschichte. Eine Familie aus Bethlehem verlässt aufgrund der Hungersnot Israel und wandert nach Moab aus. In Moab stirbt der Familienvater Elimelech. Die Söhne Machlon und Kiljon heiraten die Moabiterinnen Orpa und Rut. Nach zehn Jahren sterben auch die Söhne. Noomi, die Mutter der Familie, bleibt mit ihren Schwiegertöchtern als Witwe zurück. Sie beschließt, in ihren Heimatort Bethlehem zurückzukehren. Ihre Schwiegertöchter wollen sich ihr anschließen. Noomi scheint dies nicht recht zu sein. Sie will, dass die Schwiegertöchter in ihrer Heimat bleiben und dort ein neues Leben beginnen. So kehrt Orpa zurück zu ihrer Familie. Rut dagegen sagt zu Noomi: „Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.“(Rut 1, So geht Ruth mit Noomi nach Bethlehem.

Verfolgung wie bei Jesus und Hunger wie bei Noomis Familie sind bis heute Hauptursachen dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen. Selbst in „Brothausen“ war anscheinend früher ein Leben mit genügend Nahrung und in Sicherheit nicht möglich – und es ist es dort auch heute nicht. Auch heute verlassen Menschen Bethlehem, weil sie dort nicht sicher leben können.

Und doch ist Bethlehem auch immer wieder der Ausgangspunkt geglückter Wendungen und mutmachender Aufbrüche. Noomi und Rut finden in Bethlehem eine neue Heimat. Ihre Geschichte geht mit einem „Happy End“ aus. Rut heiratet den Boas und zu ihren Nachkommen zählt David. Er ist Ruts Urenkel, ein Kind Bethlehems, ein Hirtenjunge, der zum großen König Israels wird. Zu dessen Nachkommen gehört Jesus, dessen Eltern sich wegen einer Volkszählung aufmachen mussten in ihre Geburtsstadt Bethlehem, der „Stadt Davids“. Dort wird Jesus geboren, der „Heiland“. Als solchen hat ihn der Engel auf den Feldern Bethlehems den Hirten verkündet: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ (Lukas 2,11)

Die Geburt Jesu wurde vor einem Monat, an Heiligabend, gefeiert, seine Geburt in „Brothausen“. Von sich selbst hat Jesus gesagt: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Johannes 6,35). Jesus gibt, was wir brauchen. Nicht immer so, wie wir es uns denken. Aber er setzt sich für uns Menschen ein, bis hin zu seinem Tod. Er gibt nicht nur etwas weiter, er gibt sich selbst.

Wie damals Rut zu Noomi sagte, so sagt auch Gott zu uns: „Wo du hingehst, da will ich mit dir gehen“, auch nach Ägypten und auch nach Moab. Auf diese Zusage dürfen wir vertrauen.

 

Michael Keller

Gebet für den 3. Sonntag nach Epiphanias (24. Januar 2021)
Du Gott der Völker, du bist das Licht und das Leben.
Du bringst die Hoffnung und den Frieden. 
Höre uns.

Du Gott der Völker, in allen Nationen leiden die Menschen,
suchen Schutz vor Ansteckung, sehnen sich nach Heilung,
trauern um ihre Toten. Du bist das Leben.
Du kannst heilen und trösten. 
Höre uns.
 
Du Gott der Armen, in der Kälte leiden die Schwachen,
frieren ohne Obdach, suchen nach Essbaren,
verlieren die Hoffnung. Du bist das Leben.
Du kannst retten und beschirmen. 
Höre uns.
 
Du Gott des Friedens, überall hoffen die Menschen auf deine Gnade,
sie leben mit den Wunden der Vergangenheit, reichen die Hände zur Versöhnung,
bauen Brücken. Du bist das Leben. Du bist der Friede.
Höre uns.
 
Verwandle uns. Mache uns zu Menschen des Friedens
durch Jesus Christus. Er ist das Licht in unserer Dunkelheit
und unsere Hoffnung – heute und alle Tage.
Amen.

(aus: www.velkd.de/gottesdienst/wochengebet.php)