Liebe Gemeinde,

Diese Worte aus dem Anfang des Johannesevangeliums, begleiten uns durch die Weihnachtstage. Mit diesen Worten erzählt Johannes die Weihnachtsgeschichte auf seine Weise. 
Wenn wir den ganzen Abschnitt (Johannes 1,1-14) lesen, dann vermissen wir in dieser Weihnachtsgeschichte das Kind in der Krippe, dazu Maria und Josef, dann die Hirten und später die Weisen. Wir suchen vergebens nach dem aufgerissenen Himmel mit der Menge der himmlischen Heerscharen, die das erste und größte Weihnachtslied singen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“. Und wir lesen auch nichts von der Verkündigung der Engel an die Hirten und auch an uns, die an die Krippe treten:
„Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Stadt Davids“.

Wenn sich uns bei der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas sofort konkrete Bilder vor unser Auge malen, oder wir an die Bilder unserer schöne Krippe in der Johanneskirche beim gestrigen Video-Gottesdienst denken, dann erscheint die Geschichte des Johannes wie eine Strichzeichnung oder Skizze, die nur knappste Angaben erlaubt.

„Das Wort ward Fleisch“ – diese knappen Worte sind trotzdem mächtig. Sie setzen die mächtigen Worte vom Anfang des Johannesevangeliums fort, die ihrerseits an die ersten Worte der Bibel und des Schöpfungsberichtes anklingen: ...„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“.

Johannes möchte mit seiner Weihnachtsgeschichte ganz zum Anfang zurück. Er erzählt die Weihnachtsgeschichte als Weltgeschichte. Deshalb erzählt er auch nicht direkt von Weihnachten, sondern besingt, lobt und preist das große Ganze. Und so ist aus seiner Geschichte schließlich ein Hymnus geworden – ein Hymnus über das „Wort“, das „Fleisch“ geworden ist.
Auch das Wort „Fleisch“ ist wieder nur ein überaus knapper, scharfer Strich im Weihnachtsbild des Johannes. Er hätte ebenso sagen können, das Wort, der Sohn Gottes, sei „Mensch“ geworden. Mit Bedacht ist das Wort „Fleisch“ gewählt, ein schroff klingendes Wort, das die schmerzliche Grenze des Menschen, die „untere“ Seite bezeichnet. Die Windeln der Weihnachtsgeschichte rühren an sie. Es geht dabei um die Abhängigkeit eines jeden menschlichen Lebens von dauernder Versorgung. Und es geht weiter um die Begrenztheit und Vergänglichkeit des Menschen, sowie um die Versuchlichkeit, die Preisgegebenheit an die dunklen Mächte dieser Welt.
Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches, so sagt es der Apostel Paulus in Römer8,3. Der Sohn ist ohne Sünde, aber in der Gestalt des sündigen Fleisches. Diese Gestalt also nimmt das „Wort“, der eingeborene Sohn Gottes, an –eine einzigartige Geschichte!
Und dieses Wort Gottes „wohnte“ unter uns, so sagt Johannes weiter. Damit meint Johannes nicht nur das Weihnachtsgeschehen, sondern das ganze Leben Jesu. „Wohnen“ bedeutet Daueranwesenheit. Im Alten Testament wird vom Wort Gottes öfter gesagt, es sei „geschehen“, es sei „ergangen“. Das waren dann einmalige Augenblicke, und oft waren sie erst fassbar, wenn sie vorbei waren. Johannes will damit sagen, dass an Weihnachten eine Zeit der Fassbarkeit des Wortes Gottes, ja Gottes selbst begann, die sogar das umfasst: „und wir sahen seine Herrlichkeit“ – das ist eigentlich unfassbar!
Denn im Alten Testament lesen wir immer wieder, dass es menschenunmöglich ist, die Herrlichkeit Gottes zu sehen. Denken wir an Mose, der eines Tages begehrte, die Herrlichkeit Gottes zu schauen und Gott ihm bedeutete, dass kein Mensch leben wird, der Gottes Herrlichkeit sieht. Einzig gestattete er Mose, hinter Gott her schauen zu dürfen, nachdem seine Herrlichkeit an ihm vorüber gegangen ist.
Und da sagt Johannes:
„Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“
In Jesus lässt uns Gott seine Herrlichkeit nicht nur schauen, sondern sie kommt uns auch zum Anfassen nahe, und kein Mensch stirbt mehr daran, sondern darf im Gegenteil ganz neu leben!
So beschreibt also Johannes, was es für die ganze Weltgeschichte und für jeden einzelnen Menschen in ihr bedeutet, dass Gott Mensch wird, einer von uns, uns zugute:
Himmel und Erde berühren sich.
In all das, was Johannes in seinem großartigen Hymnus beschreibt und besingt, können wir mit dem Weihnachtslied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ einstimmen und so jene Worte des Johannes in uns nachklingen lassen.

3. Er äußert sich all seiner G'walt,
wird niedrig und gering
und nimmt an eines Knechts Gestalt,
der Schöpfer aller Ding,
der Schöpfer aller Ding.
4. Er wechselt mit uns wunderlich:
Fleisch und Blut nimmt er an
und gibt uns in seins Vaters Reich
die klare Gottheit dran,
die klare Gottheit dran.
6. Heut schließt er wieder auf die Tür
zum schönen Paradeis;
der Cherub steht nicht mehr dafür.
Gott sei Lob, Ehr und Preis,
Gott sei Lob, Ehr und Preis!

Gesegnete Weihnachten wünscht Ihnen,