Andacht zum letzten Sonntag nach Epiphanias

Alles was lebt, braucht Licht. Sicher haben sie schon mal Pflanzen in Töpfen gesehen, die sich dem Licht entgegenstrecken. Speziell wenn sie am Fenster stehen. Und wenn sie sie dann drehen, ändern sie ihre Wuchsrichtung. Immer der Helligkeit entgegen. Bekommen sie kein Licht, mickern sie vor sich hin oder gehen ganz ein.

Wir Menschen sind sehr ähnlich. Licht macht Laune und beeinflusst die Stimmung. An sonnigen, lichtdurchfluteten Tagen habe ich grundsätzlich bessere Laune und mehr Lust am Leben, als an grauen, düsteren, wolken- oder regenverhangenen Tagen. Der Zusammenhang von Licht und unserer Gemütsverfassung ist ja inzwischen längst medizinisch nachgewiesen. Die sogenannte „Winterdepression“ entsteht einfach durch den Mangel an Licht. Durch Zufuhr von viel künstlichem Licht kann diese gelindert werden.

Licht tritt in ganz vielen Formen auf: Das natürliche Sonnenlicht, der Schimmer des Mondes, das Leuchten eines Sterns. Der Mensch macht Licht: Das Züngeln eines Feuers, zarte Kerzenflammen, eine bläulich schimmernde Gaslampe, elektrische Glühbirnen und Leuchtröhren mit ihrem nüchternen Schein. Mit solchem künstlichen Licht kämpfen wir Menschen gegen die Dunkelheit an. Es verlängert die Zeit unserer Aktivität im Tag. Immer brauchen wir Licht, um lebendig sein zu können.

Auch die Innenräume unserer Kirchen entwickeln Atmosphäre durch Licht. Wenn das Sonnenlicht durch die Buntglasfenster scheint, lässt es den Kirchenraum und Altar heller und wärmer erscheinen. Die Fenster brauchen also auch den Schein des Lichts von außen, um ihre Wirkung entfalten zu können. Dann kommt das Licht in gestalteter Form zu uns. Es erzählt Geschichten, in seinen Farben und Bildern.
Mich faszinieren immer wieder auch die geheimnisvoll leuchtenden „Cazadores del sol“, die „Sonnenfänger“. Mit ihren Plexiglasscheiben wandeln sie das unsichtbare UV-Licht in sichtbares Licht um.
Das Interessante daran ist:
Je schlechter das Wetter, desto mehr leuchten sie – und können gerade so an grauen verregneten Tagen eine richtige Wohltat für die sonnenhungrige Seele sein.
In dieser Eigenart können die Sonnenfänger auch zu Symbolen werden – zu Symbolen der Hoffnung, dass das Licht von Weihnachten in unserem Leben scheint und leuchtet, auch wenn wir uns mit dem heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias immer weiter von Weihnachten weg bewegen – dabei zwar schon wieder auf das Osterlicht zu, aber eben noch durch die Passionszeit hindurch. Die Sonnenfänger können auch darin zu Hoffnungssymbolen werden, wenn wir den Eindruck haben, dass der graue Alltag des Lebens schon längst alles Licht von Weihnachten absorbiert und geschluckt hat.
Wir sehen also, wie grundlegend wichtig Licht für unser Leben ist. Da ist es kein Wunder, dass das Licht mit Gott in Verbindung gebracht wird.
Schon im Alten Testament haben sich die Israeliten vorgestellt, dass es bei Gott ungeheuer hell ist. Mose hatte das Privileg, ihm gegenüber stehen zu dürfen. Er berichtete, dass er nur diese gleißende Helligkeit sah, nicht Gott selbst. Dies wird im Allgemeinen als die "Herrlichkeit Gott“ bezeichnet. An vielen Stellen des Alten Testaments ist von diesem Lichtglanz die Rede. Dies würde auch erklären, warum der Dornbusch brennend aussah, als Gott Mose das erste Mal erschien.
Auch in heutigen Predigtabschnitt aus dem 2. Petrusbrief  (2. Petrus 1, 16-19) ist von dieser Herrlichkeit Gottes die Rede. Es ist einer der jüngsten Texte des Neuen Testaments. Auch hier wird dieser flutende Lichtglanz, der von Gott ausgeht und ihn umgibt, erwähnt:
16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. 17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. 18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. 19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
Mit diesen Worten erinnert der unbekannte Autor an eine der Sternstunden des Jüngers Petrus, in der die „Herrlichkeit Gottes“ eine ganz wichtige Rolle spielte. Er schreibt davon so, als ob er selbst dabei gewesen wäre und ist ganz erfüllt von dem Licht der Offenbarung und Verheißung, der Zuversicht und Gewissheit:
So wie die Jünger damals auf dem Berg, so sollen und können die Menschen an allen Orten ihres Lebens Jesus begegnen und diese Begegnung kann zur Erleuchtung werden. Aber ihm ist auch klar: So wie die Jünger wieder vom Berg herabsteigen müssen, so wird jedes Menschenleben sich immer wieder bewegen zwischen solchen Glanzlichtern im Glauben und den Niederungen im Alltagsleben.
Deshalb ist dem Verfasser dieser Worte dieses Licht so sehr wichtig, besonders für die Zeit, in der Christus nicht mehr als Person gegenwärtig ist. Es zeigt sich in den Worten von Jesus Christus, in der frohen Botschaft, die von ihm erzählt wird. Und in dem, was wir noch alles von ihm erwarten dürfen.
Dieses Bild trägt bis heute. Weil wir noch genauso den Gegensatz von Licht und Dunkelheit empfinden wie die Menschen damals. Das gilt für unser Innenleben, wie für die Welt um uns. Oft ist in uns drinnen Dunkelheit oder mattes Grau, aus welchen Gründen und Erfahrungen auch immer.
In diese Dunkelheit scheint ein Licht: Die Botschaft, dass Gott uns Menschen mehr liebt als wir es uns je verdienen könnten. In Jesus Christus hat diese Liebe Gottes Gestalt angenommen. Auf dieses Licht dürfen wir uns und unser Leben ausrichten, "bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen". Ja, dieser Stern möge aufleuchten in unserem Herzen. Er weise uns zielsicher den Weg zum Heil der Welt. Das ist die Hoffnung, die wir haben.

Ich sehe wieder die „Cazadores del sol“ vor mir – als Symbole für diese Zusage und Verheißung: Das Licht leuchtet dann am stärksten, wenn wenig Sonne zu sehen ist, selbst wenn sie von Wolken verdeckt ist und am Ende des Tages untergeht.
Ja, gerade angesichts der Dunkelheit auf dieser Welt und auch in unserem eigenen Leben müssen wir es immer wieder neu lernen und einüben, auf das Licht zu schauen, an ihm festzuhalten, ja, es manchmal regelrecht wieder zu erglauben, so wie in jenem Gebet, das vor einiger Zeit in den Herrnhuter Losungen stand:
Ich suche dich, Gott, jeden Morgen
und sehne mich nach deinem Licht,
das mir den Tag aufschließt.
Ich halte mittags nach dir Ausschau
und lerne dann dich zu verstehen
in Licht und Schatten neben mir.
Und wenn es Abend wird,
dann sehne ich mich nach dir,
dass du mich führst durch Dunkelheit und Angst.
Amen.

Pfarrerin Susanne Veith