365 Tage
Auf Bethlehem, mit Farbenpracht,
senkt langsam sich die kühle Nacht.
Die Händler, die die Straßen säumen,
allmählich ihre Plätze räumen.
Im fahlen Licht vom Mondenschein
packt jeder seine Sachen ein.
Jetzt wird es still in allen Gassen
und selbst der Marktplatz ist verlassen.
Verebbt ist bald das bunte Treiben,
nur ein paar Hunde noch verbleiben,
die ziellos streunen durch die Stadt,
zu seh'n, wo's was zu fressen hat.
In der Pension "Zum müden Ross"
fällt die massive Tür ins Schloss.
Der heitere Besitzer macht
den Laden dicht für diese Nacht.
Er pfeift ganz fröhlich vor sich hin,
beträchtlich war heut' sein Gewinn,
und so geht das seit Tagen schon,
denn hier ist g'rade Hochsaison.
Die Römer, die durch Schikanieren
in vielen Ländern dominieren,
beschlossen, in dem Reich, dem ganzen
auf Grund von fehlenden Finanzen,
Spezialbeamte zu erwählen,
dass sie das Volk mal gründlich zählen,
um später ungeheure Summen
von Steuern ihnen aufzubrummen.
Aus diesem Grund muss jedermann,
selbst wenn er schwört, dass er nicht kann,
zurück in seiner Väter Stadt,
wo er sich gleich zu melden hat,
um registrieren sich zu lassen -
kein Wunder, dass es alle hassen.
Das schließt natürlich den Verein
von Gastronomen nicht mit ein.
Man munkelt über sie seit Wochen,
es sei der Wohlstand ausgebrochen.
Tourismus war zu dieser Zeit
in Bethlehem noch Seltenheit,
doch plötzlich, das ist wirklich toll,
sind alle Unterkünfte voll.
Beendet ist die Zeit der Krisen,
denn Gäste bringen jetzt Devisen.
Der Hotelier beschließt soeben
sich in sein Zimmer zu begeben,
als er verzweifelt und verstört
von draußen eine Stimme hört.
"Ach bitte, hätten Sie denn nicht
ein Notquartier, nur klein und schlicht?"
Er geht zurück, um nachzusehen,
und sieht zwei Leute draußen stehen.
Er hört geduldig auf die Worte
des jungen Paares an der Pforte:
"Die Zimmersuche hier ist schwer.
Seit Stunden irren wir umher,
doch niemand in der ganzen Stadt
auch nur ein kleines Zimmer hat."
Der Wirt betrachtet ganz genau
zuerst den Mann und dann die Frau.
Die Art wie diese zwei sich kleiden
beschreibt man mit "extrem bescheiden".
Er trägt ein schäbiges Gewand,
aus zweiter oder dritter Hand.
Das Kleid von ihr ist bunt bestickt,
doch offensichtlich oft geflickt,
und sie ist schwanger außerdem,
Was soll's? Ist ja nicht sein Problem.
Dies eine int'ressiert ihn bloß:
"Wie werd' ich diese Leute los?"
Mit viel Bedacht wählt er die Zeilen,
die schlechte Nachricht mitzuteilen.
"Wie liebend gerne hätten wir
bereitgestellt ein Nachtquartier.
Doch g'rade heut', so ist es eben,
ist alles hier bereits vergeben;
das ganze Haus, es ist ein Jammer!
selbst Abstellraum und Rumpelkammer.
Es tut mir leid, doch würd' ich sagen,
probier'n Sie's noch mal in drei Tagen."
So sagt er und beginnt, den Lieben
die Türe ins Gesicht zu schieben.
Doch dieser Akt wird jäh gestört
von seiner Frau, die mitgehört,
und die, in dem sie ziemlich keift,
energisch jetzt das Wort ergreift:
"Ich kann's nicht glauben - bist du blind?!
Die Frau erwartet doch ein Kind!
Es ist ja wirklich nicht zu fassen -
du kannst sie doch nicht draußen lassen!
Wir werden doch, sei's auch bescheiden,
noch etwas haben für die beiden."
So sagt sie und sie lächelt nett,
"Im Notfall unser eig'nes Bett."
Er denkt im Stillen: "Nie und nimmer
geb' ich für die mein eignes Zimmer."
Bereits nach wenigen Sekunden
hat er die Lösung schon gefunden.
"Wie wäre es in diesem Fall,
mit einem netten, kleinen Stall.
Nichts Elegantes, ja, ich weiß,
doch dafür ist es halber Preis."
"Von wegen", zischt die Frau erbost.
"Ich glaub' du bist nicht ganz bei Trost!
Du wirst, um Himmels Willen, doch
nicht was verlangen für dies "Loch"?
Nun kommen Sie, ich geh' voraus,
der Stall ist gar nicht weit vom Haus."
So zieh'n sie los, und kurz danach
erreichen sie ihr Schlafgemach.
Die müden Wandrer, ohne Frage -
sind sprachlos angesichts der Lage,
als sie die Tür zur Seite schieben,
"bescheiden" wär' noch untertrieben.
Doch ist es besser, sei beachtet,
als wenn man draußen übernachtet;
und so kein Grund sich zu beschweren,
man kann ja gleich ein wenig kehren.
Und dann, ganz einsam und verloren,
wird Jesus dort im Stall geboren;
vorhergesagt von den Propheten,
ganz ohne Pauken und Trompeten.
So ähnlich hat in jenen Tagen
die Sache sich wohl zugetragen.
Selbst wenn es etwas anders war,
so ist zumindest eines klar:
Die Bürgerschaft von Bethlehem,
die hat versagt, und zwar extrem.
Wie kann man nur den Herrn der Herren
so einfach vor die Türe sperren,
und dann, in kalten, düst'ren Gassen,
ihn seinem Schicksal überlassen?
Auch wenn zum Zeitpunkt, das ist klar,
er selbst noch nicht geboren war,
so war es doch für seinen Vater
und seine Mutter ein Theater.
Wir rügen laut, vielleicht auch leise,
solch rücksichtslose Handlungsweise.
Doch möcht' ich nun darauf verzichten,
die Bürger dieser Stadt zu richten.
Es sei erwähnt zu ihrer Gunst,
sie hatten keinen blassen Dunst,
dass dieses Kindlein, Jesus Christ,
der lang versproch'ne Retter ist.
Sonst hätt' bestimmt in jenem Ort
ganz selbstverständlich und sofort
ein jeder, völlig ungebeten,
sein eignes Zimmer abgetreten.
Dass sie nichts wussten, ist für sie
ein ideales Alibi.
Doch der Entschuldigung von ihnen,
kann unsereins sich nicht bedienen,
denn offensichtlich jeder Christ
weiß recht genau, wer Jesus ist.
Und trotzdem, wie man deutlich sieht,
herrscht Notstand noch auf dem Gebiet.
Geändert hat seit jener Zeit
sich wenig in der Christenheit.
Noch immer halten, unverdrossen,
wir unsre Türen fest verschlossen
und halten Jesus möglichst ganz
in einer sicheren Distanz.
Die Ausnahme bestätigt immer:
ein reich geschmücktes Weihnachtszimmer,
denn da ist Jesus heute noch
willkomm'ner Ehrengast - jedoch
aus unsrer Mitte ganz galant
wird in die Krippe er verbannt -
noch nah genug, um uns zu hören,
doch weit genug, uns nicht zu stören.
Er dient dort, ganz symbolhaft nur,
als niedliche Galionsfigur
für Friede, Freude, Glücklichsein...
getüncht mit warmem Kerzenschein.
für Friede, Freude, Glücklichsein...
getüncht mit warmem Kerzenschein.
Nicht lange nach den Weihnachtstagen
wird Jesus wieder weggetragen.
Er teilt die Rumpelkammer dann
mit einem dicken Weihnachtsmann
aus weichem Plastik, rot bemalt,
der - mittels Licht von innen - strahlt
und dümmlich lächelnd uns beguckt -
"Made in Taiwan" ist aufgedruckt.
Man packt auch den Adventskalender,
Lamettafäden, Christbaumständer,
dazu die Weihnachtspyramide
mit gold'ner Schrift: "Auf Erden Friede" -
und sagt zu diesem Inventar:
"Auf Wiederseh'n bis nächstes Jahr."
Es bleibt nun jedem überlassen,
sich selbst mit Jesus zu befassen.
Bin ich bereit in meinem Leben,
für Jesus etwas abzugeben?
Ich spreche hier in diesem Fall,
nicht von der Ecke in dem Stall:
Es geht um andre Dimensionen,
denn Jesus möchte in mir wohnen.
Er will den Alltag mit mir teilen,
er möchte helfen, möchte heilen.
Er wirbt darum, mich zu gewinnen,
ein neues Leben zu beginnen,
und respektiert, was ich entscheide -
ihn akzeptiere oder meide.
Ich kann bezeugen: Es entspricht
der Wesensart von Jesus nicht,
ganz aufdringlich und ungebeten,
die Tür gewaltsam einzutreten.
Er klopft und wartet - er hat Zeit -
bis wir zum Öffnen sind bereit.
Dann tritt er ein in unser Leben,
um Ziel und Hoffnung uns zu geben:
das ganze Jahr, in jeder Lage -
365* Tage!