2017-10-10 Ökumenische Horber Nachtwächter sammelten beim Lotzer-Umgang
Pfarrer Michael Keller von der evangelischen Kirchengemeinde Horb und Pfarrer Johannes Unz von der evangelischen Kirchengemeinde Mühlen freuten sich am Dienstagabend über einen Spendenscheck in Höhe von 400 Euro, den ihnen Vereinskassier Stefan Reichel zusammen mit den Nachtwächtern vom Kultur- und Museumsverein vor der Johanneskirche überreichte.
Diese Summe hatten Joachim Lipp, Heinerich Raible und Bruno Springmann eingenommen, als sie während des letzten Nachtwächterumgangs den Umgangsteilnehmern auf der Kirchenmauer der Stiftskirche in einer Art Hammelsprung ihre Spendensäckchen aufhielten. Diese Nachtwächterführung der besonderen Art kam auf Initiative des evangelischen Stadtpfarrers von Horb zustande, der auf der Suche nach Programmpunkten für das Lutherjahr 2017 sein Gemeindemitglied Bruno Springmann angesprochen hatte, ob man nicht eine Nachtwächterführung mit Blick auf die frühreformatorischen Flugschriften des Sebastian Lotzer anbieten könnte. Springmann wandte sich mit dieser Bitte umgehend an seinen Chef Obernachtwächter Joachim Lipp.
Der ehemalige katholische Oberministrant Lipp, der wie sein Kollege Heinrich Raible zumindest eine evangelische Mutter besitzt, war dieser Idee gleich zugetan,denn seit Jahren kämpft der Vorsitzende des Kultur- und Museumsvereins für die Anerkennung von Horbs verlorenem großen Sohn, der in der Neckarstadt weder im Gemeinderat noch bei den beiden großen Kirchengemeinden eine richtige Lobby besitzt.
Für die meisten Schwarzen gilt Sebastian Lotzer als eine Art Komsomolze oder Revoluzzer. Bei den Horber Roten und Grünen hapert es mit seiner souveränen biblisch-evangelischen Gotteserkenntnis. Auch die Blau-Gelben tun sich mit seinen Flugschriften schwer, die schon zu Beginn der Neuzeit die Profitgier mit als Wurzel allen Übels verdammten. Für die Braunen war die vor rund 500 Jahren erfolgte gemeinschaftliche Erhebung der kleinen Leute zum aufrechten Gang als freie Menschen noch nie ein Thema, zumal nationale Erhebungen für sie nur dann einen Stellenwert besitzen, wenn eine Machtergreifung zur unheilvollen Herrschaft von Arbeitsscheuen über Arbeitslose führt.
Selbst die beiden großen Kirchen haben mit Sebastian Lotzer ihre Probleme. Der gute Katholik beäugt ihn argwöhnisch, da er als glühender Anhänger der Reformation nicht auf Seiten der heiligen römischen Kirche gestanden hat. Für den strenggläubigen Protestanten gilt Lotzer indessen als Gotteslästerer, der sich im Kampf für die Sache der Rechtlosen sündhaft mit dem Evangelium bemäntelt hat. Jedenfalls sucht man Sebastian Lotzer vergeblich auf der Horber Rathausfassade oder in der Beschreibung des neuen Landkreises Freudenstadt. Und noch im Jahr 2006 konnte der Kultur- und Museumsverein das Sebastian-Lotzer-Denkmal erst nach viereinhalbjähriger Kugelfuhr an der Wintergasse errichten.
Mit ihrem eindrucksvollen Umgang, der zu sieben Stationen der Horber Reformationsgeschichte führte, überzeugten die Nachtwächter zumindest die rund einhundertköpfige Teilnehmerschar, unter der sich zwei Gemeinderäte, die beiden evangelischen Pfarrer sowie Bürgermeister Ralph Zimmermann befanden, davon, dass Sebastian Lotzer zu den bedeutenden Söhnen Horbs gezählt werden muss.
Nachdem sich die Nachtwächter bereits auf Seiten der katholischen Kirchengemeinde für die Sanierung des Stiftskirchendachs und der Stiftskirchenorgel engagiert hatten, bedachten die drei Herren im Lutherjahr nun zwei evangelische Kirchengemeinden mit einer Spende, die ebenfalls zu Restaurierungszwecken verwendet werden soll.